In Kooperation mit weiteren Organisationen und Saatgutaktivist*innen organisieren wir seit einigen Jahren vielbeachtete Saatgutbörsen. Nicht ganz ohne Hintergedanken immer am ersten Sonntag nach Karneval. Denn diesen trug bei unseren Vorfahren den Namen „Erbsensonntag“. Seit dem Mittelalter dreht man an dem Tag im nordsaarländischen Wadrill ein brennendes „Erbsrad“ gen Tal.
Es ist der Tag, an dem offiziell die christliche „Fastenzeit“ beginnt und mit der Reduzierung von Fleisch bzw. tierischen Produkten die große Zeit der Hülsenfrüchte anbricht. Denn Hülsenfrüchte liefern die Proteine, die durch Fleischverzicht nicht mehr aufgenommen werden können.
Und da sind wir direkt beim Thema: auch Erbsen gehören zu den Kulturpflanzen, die früher in allen Bauern- oder Arbeitergärten wuchsen, aber leider inzwischen zu den seltenen Gewächsen gehören. Aus diesem Grund sind wir schon früh in den Anbau von Linsen eingestiegen und haben unser Portfolio um Erbsen erweitert.
Bei Erbsen wie bei Linsen und Bohnen gilt: Die Sortenvielfalt unserer heimischen Kulturpflanzenwelt ist bedroht. Durch die Vorherrschaft mächtiger Konzerne, Regierungsbehörden und agroindustriellen Marktstrukturen gedeiht immer weniger Leben. Zunehmend erschweren neue Regelungen und Entwicklungen den Anbau und den Erhalt samenfester Sorten. Auch führt die Bequemlichkeit der Menschen dazu, Samen im Supermarkt zu kaufen, dabei selten auf traditionelle Sorten zu achten und diese „industriellen Sorten“ im Garten wachsen und aber nicht mehr bis zur Samenreife gedeihen zu lassen. Zunehmend breiten sich Hybridsorten aus, mit denen kein Nachbau mehr möglich ist. Ebenso schädlich für die heimische Pflanzenwelt sind die Entwicklungen auf dem Gebiet der Grünen Gentechnik, das erheben von Patenten auf gentechnisch veränderte und konventionelle Pflanzen. Die unübersehbare Monopolisierung auf dem Saatgutmarkt sorgte so für eine Abnahme von Nutzpflanzensorten.
Wird der Rückgang der Biodiversität um 70 Prozent aller Arten in Deutschland seit 1960 konstatiert, dürfte dieser bei unseren Kulturpflanzen nicht weniger dramatisch ausfallen.
Aus diesem Missstand heraus erwuchs weltweit eine Bewegung, die es sich zur Aufgabe macht, den Erhalt von Nahrungsmittel-Pflanzen selbst zu organisieren und unter dem Motto „Essen und nicht vergessen“, Pflanzensamen selbst zu vermehren und mit Gleichgesinnten zu tauschen. Tauschen deshalb, weil ein Verkauf gegen Gesetze verstoßen würde.
Wir begreifen uns als Teil dieser Bewegung und organisieren und unterstützen seit Jahren die „Bliesgau-Samentauschbörsen“, die einzigen dieser Art im Saarland. Dort geht es nicht ums bloße Tauschen. Wir wollen ein regionales Netzwerk schaffen, um uns mit Gleichgesinnten auszutauschen und etwas für den Erhalt der biologischen Vielfalt unserer Heimat zu tun.
Ein solch regionales Beispiel ist der (fast vergessenen) spektakuläre Bohnenanbau in dem Blieskasteler Ortsteil Lautzkirchen. „Ruhm vom Vorgebirge“ oder „Feuerbohne“ waren Stangenbohnensorten, die früher sehr verbreitet waren. Ab 1900 entwickelte sich im Blieskasteler Ortsteil ein gewerbsmäßiger Bohnenanbau, der sich auf sage und schreibe 200.000 Stangen steigerte, was Erträgen von etwa 200 Tonnen im Jahr 1918 entspricht. Leider setzte nach dem Zweiten Weltkrieg ein langsamer und stetiger Rückgang des Bohnenanbaus ein, weil der Hauptberuf deutlich mehr Geld einbrachte, als mit der Landwirtschaft zu verdienen war. Die Bohnenstangen prägten fortan immer weniger das Dorfbild.
Dank unserer Saatenbörsen und engen Kontakten mit freiwilligen Saatgut-Aktivist*innen, ließen sich einige Samen dieser Bohnensorte ordern und soweit vermehren, dass diese „Lautzkirchener Sorte“ nun in vielen Gärten der Region überleben.
Ein größeres Bohnen-Projekt mit mehreren hundert Stangen wird in den nächsten Jahren angestrebt.
Kooperationspartner der Saatgutbörsen sind: Slowfood-Saarland, Die Gaadekrott, Rosa Luxemburg Stiftung/Peter Imandt Gesellschaft, Bliesgau Genuss, Zukunftswerkstatt Saar, Projekt Essbares Saarland, Saarland tischt auf e.V.
Weitere Informationen über Termine, bitte Email an bliesgauoele@web.de